Rheinpfalz, Ausgabe vom 17. November 2020, von Elena Bruckner.
Während der Corona-Krise müssen viele Theaterschaffende neue Wege gehen. Anja Kleinhans vom Freinsheimer „Theader“ hat mit den „ProvinzNews“ ein Onlinevideo-Format geschaffen, mit dem sieMut spenden und die eigenen Grenzen testen will.
Bis zwei Uhr nachts habe sie am Schnitt der neuesten „ProvinzNews“ gesessen, sagt Anja Kleinhans, Leiterin des Theader in Freinsheim. Das Videoprojekt, dessen bislang vier Ausgaben auf der Webseite des Theader zu sehen sind, nimmt seit einigen Wochen einen beträchtlichen Teil ihrer Zeit in Anspruch.
Während des ersten Lockdowns im Frühjahr beobachtete die 44-Jährige, wie viele ihrer Kollegen mit Online-Videos und Aktionen in sozialen Netzwerken versuchten, ihre Kunst an das Publikum zu bringen. „Ich dachte, Theater ist langweilig, wenn es nicht auf der Bühne ist“, sagt sie, „da fehlte mir das Flair.“ Stattdessen entschied sie sich zunächst für die analoge Variante, tauschte die Bühne gegen eine Weinkiste und erzählte beim „Theader-Fensterln“ als „Pälzer Engelsche“ mit umgehängten Flügeln ihre „Mutmachgeschichten“: humorvolle Erzählungen aus dem nahen und fernen Orient, die eine tiefere Botschaft übermitteln sollen.
Keine perfekte Welt
Ganz verschließen wollte sie sich den neuen Entwicklungen aber auch nicht und überlegte, was sie anders machen könnte als ihre Kollegen in deren Online-Programmen. In denen störte sie oft die perfekte Welt, die dort präsentiert wird: „Es ist eben nicht jeder ein glattgeschminktes Püppchen“, sagt sie.
Mit der Idee einer künstlerischen Nachrichtensendung mit den Mutmachgeschichten und musikalischer Begleitung wandte sie sich an den Fonds Darstellende Künste, der mit dem Förderprogramm „Global Village Venture“ Projekte an Orten außerhalb der großen Theaterstandorte unterstützt. Für die technische Ausstattung – unter anderem einen Stabilisator für die Handykamera –, einen Onlinekurs zum Filmen mit dem Handy und Honorare für die beteiligten Darsteller und Gastmusiker stellte der Fonds 5000 Euro zur Umsetzung der „ProvinzNews“ zur Verfügung.
Unterstützung holte Kleinhans sich von Grafikerin Nicola Graf und Musiker Wolfgang Sandel, die den Vorspann und die Titelmelodie zur Serie beitrugen und dem 92-jährigen Alfred Kotter, der als „Kulturweiser“ durch das Programmführt. Um Drehbücher, Kamera und Schnitt kümmert sie sich selbst – für die ausgebildete Schauspielerin eine Umstellung. „Auf der Filmschule hatte ich auch Kurse in Schnittprogrammen, aber seitdem hat sich viel geändert“, sagt sie.
Die Dreharbeiten selbst seien eigentlich der geringste Aufwand. Dabei sei die größte Schwierigkeit, stille Momente zu finden, in denen keine Geräusche aus der Umgebung die Aufnahme stören. Aufwendiger ist dagegen die Postproduktion: Vier Tage lang arbeitete Kleinhans am Schnitt der ersten Folge. „Jetzt, wo der Vor- und Abspann stehen, sind es noch zwei Tage“, sagt sie.
Wie direkt darf Kunst sein?
Für zukünftige Videoprojekte des Theader sind nun auf jeden Fall die Ausstattung und das Wissen vorhanden – „man weiß ja nie, was noch kommt“. In gewisser Weise seien die Videos aber auch ein Forschungsprojekt: Wie direkt kann man in der Kunst Botschaften vermitteln? Die vierte Wand als Trennung zwischen Bühne und Publikum gibt es bei Kleinhans nicht, sie wendet sich als „Engelsche“ gerne direkt an ihre Zuschauer. Durch diesen Tabubruch ergibt sich ein Balanceakt: Um in der Rolle nicht zu sehr mit dem „verbotenen Zeigefinger“, wie er in der Serie heißt, aufzutreten, versucht sie, die Lebensweisheiten des „Engelsche“ auf die Schippe zu nehmen. So enden die Folgen meist mit einem ironischen Kommentar des „Kulturweisen“ Kotter.
IM NETZ
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