Der perfekte Mann
Foto: Cosima Schade

Der perfekte Mann

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Rheinpfalz, Ausgabe vom 08. Juni 2024, von Cosima Schade.

Sind Roboter die besseren Männer? Um diese nicht ganz unwichtige Frage geht’s in diesem Jahr beim Freinsheimer „Theader-Sommer“, für den Anja Kleinhans, die Leiterin des neuerdings zum „Theater der Liebe“ umfirmierten „Theaders“, die rasante Komödie „Fehler im System“ ausgewählt hat. Premiere ist nächsten Mittwoch.

Das Stück des Berliners Folke Braband, einem der führenden aktuellen Lustspiel-Autoren deutscher Feder, ist eine Verwechslungskomödie im klassischen Boulevardtheater-Stil, besitzt jedoch noch eine zweite, tiefere Ebene, die es dann eben doch vom gewohnten „Tür-auf-Tür-zu“-Klamauk abhebt. Für diesen intelligenten Humor zu gesellschaftlichen Fragestellungen ist Braband bekannt. Seine Fassung von „Ladies Night“ zum Beispiel, einem Stück, das vom Kampf ganz gewöhnlicher Menschen gegen die Arbeitslosigkeit erzählt, wurde 2000 in Berlin zur „Aufführung des Jahres“ gewählt. In „Das starke Geschlecht“ geht’s unter leicht verschobenem Blickwinkel um Gleichberechtigung. „Die Maria und der Mohamed“ brachte 2021 die Asyl- und Flüchtlingsthematik in tragikomischer Form auf die Bühne.

„Fehler im System“, das 2017 im Schlossparktheater in Berlin uraufgeführt wurde, greift dagegen das Thema Künstliche Intelligenz auf und verknüpft es mit einer Beziehungsgeschichte. Emma, gespielt von Anja Kleinhans, hat sich gerade von ihrem Macho-Freund Oliver getrennt. Doch dann taucht er wieder auf – als „Oliver 4.0“. Die Roboterversion ist ausgestattet mit (künstlicher) Intelligenz und elegantem Anzug. Eigentlich so, wie sich Emma ihren Jogginghosen- Oliver immer gewünscht hätte.

Oliver 4.0 hat mehr Herz und Charme als das Original

Schleicht sich also nun der gerade erst abservierte Ex als Roboter-Fake wieder in Emmas Herz? Nein, Emma hatte sich vielmehr vor einiger Zeit bei der Agentur Partnercook.com einen Traummann „backen“ lassen. Im Zeitalter von Algorithmen und allseits verfügbarer Daten wurde er ohne detaillierten Auftrag ganz automatisch wunschgerecht konfiguriert – und nun „just-in-time“ ausgeliefert.

Das ist die Ausgangslage. Zunächst erweist sich Oliver 4.0 auch tatsächlich als gehorsamer Haushaltsroboter. Doch dann entwickeln er und seine Herrin Gefühle füreinander. Geht das? Oder ist das ein „Fehler im System“? Wer ist der echte Mann, wer der Roboter? Beide Rollenwerden gespielt von Boris Ben Siegel, bekannt als Gründer des „Theaters Oliv“ in Mannheim, der sich, wie der Besuch bei der Probe zeigt, tatsächlich so bewegen und so starr blicken kann, dass man ihm abnimmt, ein Roboter zu sein. Fast unheimlich.

Ein Vater, der zur Frau werden will

Und dann ist da noch Emmas Vater „Lea“, der gerade mitten in einer „Geschlechtsumwandlung“ steckt. Gespielt wird er von der Mannheimerin Coralie Wolff, einer Frau. Bemerkenswert, dass – so der Eindruck während der Probe – bei der Rolle ganz auf Klamauk verzichtet wird. Lea fühlt sich als Frau, und das ist auch gut so. Sie ist Frau, fertig. Und sie kann dazu auch noch glaubwürdig einen Roboter spielen, lässt sich wie eine Gliederpuppe tragen und „abladen“…

Dass der Roboter sich verliebt, ist vom Hersteller natürlich nicht vorgesehen, automatisch geht eine Fehlermeldung raus. Ein Mechaniker des Produzenten, gespielt von dem Speyerer Markus Maier in orangefarbener Arbeitskleidung und bodenständig- authentisch breites Pfälzisch sprechend, hat den Auftrag, ihn zur Revision abzuholen. Doch dann beginnt die wilde Verwechslung – statt des Roboters nimmt er den echten Oliver mit, dann Lea, die das Spiel aber mitspielt, weil sie sich davon ein „Finetuning“ zur „richtigen Frau“ verspricht. Aber Moment, geht das überhaupt, sie ist doch ein Mensch?

Die Frage ist: Was macht einen echten Menschen aus? Das Ende wird hier natürlich nicht verraten, doch geht es letztlich um eine Frage, die angesichts der rasanten technischen Entwicklung der letzten Jahre nicht mehr ganz so abwegig ist: Kann man einen Roboter lieben? Und wird eine KI jemals wirklich lieben können? Gefühle haben? Wäre das überhaupt wünschenswert? Wenn Künstliche Intelligenz eigene Gefühle, eigene Gedanken und Bewusstsein entwickeln würde, könnte, dürfte man sie dann noch „beherrschen“? Und was, wenn intelligente Maschinenwesen uns Menschen unterwerfen oder abschaffen wollten? Was macht einen echten Menschen aus? Was sind Gefühle? Wie weit soll man Optimierungswahn treiben? Das Stück spielt in der Zukunft – noch ist die Technik nicht so weit – , doch die Weichen werden durchaus schon heute gestellt.

An der Darstellung innerhalb des vorgegebenen Textes feilt Regisseur Uli Hoch in dieser Woche gemeinsam mit den Schauspielern noch. Faszinierend zu beobachten, welchen Unterschied schon kleine Nuancen im Ausdruck machen. Ein starrer Blick, und man fühlt weniger mit … Eine lockere Bewegung, ein sanfter Blickkontakt, und man hält das Gegenüber für einen fühlenden Menschen…Ein Blick ins Publikum, man fühlt sich angesprochen und aktiviert…

NOCH FRAGEN?

„Fehler im System“, das Sommerstück des „Theaters der Liebe“ (früher „Theader Freinsheim“) feiert am Mittwoch, 12. Juni, um 19.30 Uhr auf der Wiese vor dem Casinoturm an der Freinsheimer Stadtmauer Premiere. Weitere Aufführungen stehen dort am 13., 14., 15., 21., 22., 28. und 29. Juni, ebenfalls jeweils ab 19.30 Uhr. Karten (23 Euro) unter .

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