Macht und Möglichkeiten

Rheinpfalz, Ausgabe vom 19. Juni 2021, von Sigrid Ladwig.

Viel gepriesen und besungen wird die Macht der Liebe. Wie es in unseren Zeiten um ihre erhoffte Kraft bestellt ist, das beleuchtet und hinterfragt die neue Freilicht-Inszenierung des „Theader Freinsheim“ unter dem ebenso schlichten wie bedeutsamen Titel „Liebe“. Am Donnerstag feierte das Stück Premiere.

Romantisch könnte man behaupten, die Liebe siege über alles. Aber stimmen Wunsch und Wirklichkeit überein, oder täuscht die idealistische Blickrichtung? Das Publikum auf der Wiese am Casinoturm jedenfalls muss nach einigen Minuten seinen Blickwinkel korrigieren.

Um ohne verrenkten Hals das Geschehen auf der Bühne zu verfolgen, werden die Stühle zurecht gerückt. Ins amüsierte Gelächter mischt sich untergründig ein zweifelndes Gefühl: Wie einfach lässt sich der Mensch in unterschiedliche Richtungen lenken? Wie manipulierbar ist er in seinen Anschauungsweisen?

Bevor man darüber nachdenken könnte, lässt jemand anders seinen Gedanken freien Lauf: „Theader-Anja“, wie ihre Bühnenkollegen die Verfasserin des Stücks nennen, grübelt nach über Leben, Liebe und eben noch eingeschränkte Freiheitsrechte. Dabei schaukelt sie im Strick eines großen Bühnengalgens, bis sie zu Boden stürzt.

Zwischen vermauerten Seelen

Abgründig lauerte in den vergangenen Monaten die hier angesprochene Existenzangst, als das kulturelle Leben brach lag. Umso größer ist jetzt die Spielfreude auf der Freilichtbühne, nachdem die Stadt Freinsheim ihren TheaderSommer 2021 veranstalten kann. Das musikalisch umrahmte Episodenspiel wird als kommunales Kulturprojekt im Rahmen des Kultursommers vom Land unterstützt und überdies vom Fonds Darstellende Künste der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert.

Als Autorin mischt Theader-Leiterin Anja Kleinhans Dimension und Bühnenebene, sodass die einzelnen Episoden von dramaturgischen Reflexionen umrahmt werden. Ein geschickter Zug: Indem sich Handlung und spiegelnde Gedankengänge ineinander schieben, wird das Direkte und Überdeutliche der Spielszenen gemildert.

Der Zuschauer erlebt eine aberwitzige Gesellschaftskritik: Karien Weber und Gerold Welch spielen zwei zänkische Nachbarn, die ihre Elternliebe zwar auf den Lippen tragen, zugleich jedoch lautstark ihren emotionalen Bankrott demonstrieren. Während ihre Kinder, gespielt von Anja Kleinhans und Christian Birko-Flemming, krampfhaft an den Smartphones hängen, treten Nichtachtung und Nichtliebe zwischen den vermauerten Seelen beklemmend zutage.

Der umsichtigen Regie von Uli Hoch gelingt es, den Szenen wohl dosierte Portionen von Komik beizumischen, sodass dem Publikum das Lachen nicht vergeht. In der „Hühner- Szene“ herrscht äußerlich der spaßhafte Anstrich vor, während inhaltlich tiefster Ernst darin steckt.

Es geht um den Druck der Gemeinschaft und den Mut zur eigenen Größe. Während das gackernde Geflügel seine fast aggressiven Geräusche in den Text hinein hackt, zeigt Anja Kleinhans mit einer schönen Mischung von Freude und Staunen, dass Selbstentdeckung kein Traum bleiben muss. Das Motto „Vertrauen“, das alle Episoden verbindet, steht hier für das Vertrauen zu sich selbst.

Liebe unterm Alltagstrott

Die beiden anderen Szenen verlegen sich deutlicher auf die Seite drolligen Humors oder tragischer Tiefe. So sieht das Publikum, wie Liebe unter Alltagstrott verschüttet und nach tiefgreifenden Schockmomenten wieder entdeckt wird. Oder aber, wie sie allergrößte Schuld vergeben kann. Hier allerdings folgt der jähe Ausstieg aus der Szene: Eben noch in der Rolle eines verurteilten jungen Todesfahrers, durchbricht Darsteller Gerold Welch das Spiel, um dessen Lebensechtheit in Frage zu stellen. Da ist sie wieder, die Frage nach der Macht der Liebe. Besingen lässt sie sich jedenfalls unerschöpflich. Exzellent besorgen das die drei Musiker der Band „Mr. Jones“: Sänger und Gitarrist Hans Ehrenpreis, Gitarrist Alex Lützke und Perkussionist Jochen Koch-Swoboda ummanteln und untermalen mit feinen Pop-Covers die wechselvolle Szenerie an der alten Stadtmauer, wo der Liebende immerhin zu ungeahnten Möglichkeiten fähig wird.

TERMINE

Weitere Aufführungen des Stückes: 19., 20., 23., 24., 26., 27., 29. und 30. Juni, sowie am 1., 2., 3., 4., 6., 7., 8. und 9. Juli, jeweils um 19.30 Uhr auf dem Gelände am Freinsheimer Casinoturm. Reservierung per E-Mail unter: .

Corona Information

Für unsere Vorstellungen gilt die jeweils aktuelle Corona-Verordnung von Rheinland-Pfalz.