Galgenstrick mit Herz

Rheinpfalz, Ausgabe vom 14. Juni 2021, von Sigrid Ladwig.

Ein weites Feld ist es, das die neue Freilichtinszenierung des Theader Freinsheim unter dem Titel „Liebe“ durchstreift. Noch laufen die Proben am Casinoturm; am Donnerstag wird Premiere gefeiert.

Wie der Zuschauer schon in den ersten Minuten spürt, hat die Eigenproduktion aus der Feder von Theader-Leiterin Anja Kleinhans viel mit unserer Gegenwart zu tun. Wie sicher kann sich das Publikum über die eigene Position sein, wenn es zunächst nicht einmal weiß, ob es zur richtigen Bühne blickt? Und was die vorgeschriebenen Corona-Regeln angeht: Zwar wird den Theaterfreunden Sicherheit garantiert, doch zugleich folgt die Mahnung zur Skepsis.

Als ob das Unwägbare des Daseins untermauert werden soll, ist auf der Freilicht-Bühne vor der Freinsheimer Stadtmauer ein Galgen aufgebaut. Einst symbolisierte das grausame Hinrichtungswerkzeug die Macht einer alles beherrschenden Obrigkeit. Und heute? Könnte es noch immer hoffnungslose und bedrohliche Ohnmacht bedeuten?

Große Bandbreite von Gefühlen und Beziehungen

Es ist eine andere Art strafender Kontrollgesellschaft, die den modernen Menschen einschnürt. Und es sind verflochtene kritische Fragen, für die das musikalisch umrahmte Episodenstück eindrückliche Bilder findet. Veranstalter ist auch in diesem Jahr die Stadt im Rahmen des Theadersommers Freinsheim 2021. Als kommunales Kulturprojekt fördert das Land die Inszenierung innerhalb des Kultursommers. Unterstützt wird sie zudem vom Fonds Darstellende Künste der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Kaum ein Thema lässt sich in so vielen Spielarten ausgestalten wie die Liebe. Manchmal sinkt und stürzt sie. Aber die Liebe kann auch so stark sein, dass sie sogar an einen Galgenstrick Hoffnungen knüpft. Eine große Bandbreite von Gefühlen und Beziehungen öffnet sich also an der stimmungsvollen Stadtmauer, wenn die vier Schauspieler Karien Weber, Gerold Welch, Anja Kleinhans und Christian Birko-Flemming in die unterschiedlichsten Rollen schlüpfen – als Verbundene oder abgründig Getrennte, als kleinmütig Einsame oder großherzig Liebende.

Zwischen Komik und Tragik erlebt der Zuschauer vier Begebenheiten. Da geht es etwa um das erbärmliche Gehabe zweier Nachbarn: Mit hohlem Gerede offenbaren sie ein komplett veräußerlichtes Leben und erweisen sich als vollkommen unfähig zu echten Gefühlen.

Interessante Wechsel der Perspektiven

Oder eine alte Fabel wird so abgewandelt, dass der Konflikt zwischen Reglementierung und Selbstentdeckung aufbricht wie das umhüllende Federkleid des Adlers. Bei solchen Szenen erlauben sich die Autorin und die Regie Uli Hoch durchaus Klamauk, der den ernsten Gehalt abfedert, ohne ihn herunterzuspielen.

Während Alex Lützke, Hans Ehrenpreis und Jochen Koch-Swoboda den musikalischen Part übernehmen, durchbricht mehrfach ein skeptisches Hinterfragen das szenische Spiel. All das verspricht für den Zuschauer einen interessanten Wechsel der Perspektiven. Sogar das unheilvolle Symbol des Galgens wandelt sich. Der Galgenstrick bildet die freundliche Form eines Herzens.

TERMINE

Theader Freinsheim: Premiere des Stücks „Liebe“ ist am Donnerstag, 17. Juni, um 19:30 Uhr. Weitere Aufführungen gibt es am 18., 19., 20., 23., 24., 26., 27., 29. und 30. Juni sowie am 1., 2., 3., 4., 6., 7., 8., 9. Juli, jeweils um 19:30 Uhr auf dem Gelände am Casinoturm (Südliche Ringstraße 12). Kartenreservierung sind per E-Mail an möglich.

Corona Information

Für unsere Vorstellungen gilt die jeweils aktuelle Corona-Verordnung von Rheinland-Pfalz.