Das Glück beginnt im Autowrack

Rheinpfalz, Ausgabe vom 13. März 2023, von Hans Heinen.

Gastspiel „Emmas Glück“ in Rodalben: Eine herzerwärmende Geschichte

Mit „Emmas Glück“ erlebte das Publikum in Rodalben am Samstag im vollbesetzten Kultursaal des Dr.-Lederer-Hauses beim Gastspiel des Theaders Freinsheim ein emotional aufrüttelndes Stück: eine außergewöhnliche Lovestory zwischen uriger Einfachheit und ethisch-philosophischem Tiefgang.

Komik streift Tragik und schwarzen Humor in Claudia Schreibers zweitem Roman, der zum Bestseller wurde und außerdem zum Filmerfolg. Emma heißt die bizarre Protagonistin, die eigenwillige und verschrobene Jungbäuerin, deren Rolle Anja Kleinhans mit ihrer Wandlungsfähigkeit überzeugend ausfüllt. Auf der Bühne agiert sie als Alleindarstellerin in einem Mehrpersonenstück. Durch ausdrucksstarke Mimik, Gestik und Stimme sowie durch viele Varianten an Temperament zwischen Sanftmut und Wut erschafft die Akteurin in ihrer Fantasie die sie umgebenden Figuren wie den Polizisten Henner („klein, dick, unansehnlich, mein einziger Freund“) und seinen Kollegen Karl – Paradebeispiele für klischeehafte Dorfpolizisten. Außerdem verkörpert sie Henners Mutters als gehässig-krächzende Einmischerin. Diese Vielfalt zu bewältigen, mutet schon wie ein Kunststück an. Zwei Männer kommen zu den handelnden Personen noch dazu: Max, später ihr zufälliger Ehemann, schwer krank und auf der Flucht, außerdem Hans, dessen Freund, bestohlener Verfolger von Max und später großzügiger Gönner des vom Schicksal gebeutelten Paares.

Einsam und pleite

Dem Bühnenbild reichen sparsame Mittel. Eine schlichte Wand lässt das Bauernhaus und den Stall erahnen, ein Hocker und eine Schlachtwanne stehen symbolisch für den Arbeitsalltag. Hier wohnt Emma, hier packt sie an, hier haust sie im chaotischen Durcheinander, hier lebt sie mit ihren Erinnerungen. Sie denkt an den grobschlächtigen Großvater, der sich nicht scheut, gerade geschlüpfte Spatzen zu zerdrücken („Wer nicht arbeitet, hat keinen Platz auf dem Hof“), an den Vater, der sich an ihrer Stelle einen Sohn gewünscht hatte, und an die Mutter, nach deren Tod sie einsam zurückgeblieben ist, inzwischen pleite und unmittelbar vor der Zwangsvollstreckung angekommen. Doch an dieser Stelle nimmt die Handlung Fahrt auf – wie in einem Kitschroman. Ähnlich einer szenischen Lesung, durchaus unterhaltsam und packend, präsentiert Kleinhans die einmalige Liebesgeschichte: Ein Ferrari verunglückt auf ihrem Acker, überschlägt sich. Im Wrack findet Emma den ohnmächtigen Fahrer (Max) und einen Sack voller Geld. Es stellt sich heraus, dass Max beide Trophäen seinem Chef (Hans) gestohlen hat, um sich ob seines Krebsleidens im fortgeschrittenen Stadium nach Mexiko abzusetzen und dort die ihm verbleibende Zeit zu verbringen. Emma schleppt Max ins Haus. Die polizeilichen Ermittlungen verlaufen im Sande, auch weil der in Emma verliebte Henner über vieles hinwegsieht.

Ein Unfall und viel Geld

Emma gewährt Max Unterschlupf. Sie ist sich sicher, den Mann fürs Leben gefunden zu haben, will das schon am Geruch erkennen. Es entwickelt sich auf behutsame Weise eine Liebesbeziehung, die in Gefahr gerät, als Max entdeckt, dass Emma das gestohlene Geld vor ihm versteckt und Hans auf der Suche nach ihm auf dem Bauernhof auftaucht. Doch es wendet sich alles zum Guten: Die Schulden werden abbezahlt. Max und Emma finden zusammen und verleben „eine wunderschöne Liebesnacht“, wie es heißt. Hans spendiert die Hochzeitsreise nach Mexiko. Als Max aber zusehends schwächer wird und unter höllischen Qualen leidet, leistet Emma Sterbehilfe. Mit seinem Einverständnis geht sie mit einem „sanften Schnitt“ in die Halsschlagader genauso vor wie beim Töten eines Schweins. „Emmas Glück“ ist eine herzerwärmende Geschichte über Not, Verzweiflung und Freude, über das Leben und Sterben. Es ist auch eine Geschichte, die Fragen aufwirft, wenngleich sie mitunter im Stil einer Comedy-Posse daherkommt. Die Fragen betreffen vor allem den Umgang mit gefundenem Diebesgut und mit dem Tod, berühren das Thema der humanen Sterbehilfe. Das Publikum in Rodalben hörte jedenfalls durchweg aufmerksam zu. Das spricht deutlich für die Inszenierung.

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