Komik und Tragik im schnellen Wechsel

Rheinpfalz, Ausgabe vom 25. Oktober 2021, von Gaby Sprengel.

Anja Kleinhans, Leiterin des Theader Freinsheim, überzeugt im Weinstraßencenter Grünstadt mit „Emmas Glück“ – Unter die Haut gehend und mitreißend.

Mit einer ausdruckstarken Solo- Aufführung von der über die Region hinaus bekannten Anja Kleinhans ist am Freitagabend nach fast zwei Jahren Zwangspause die erste Veranstaltung der Stadtbücherei Grünstadt über die Bühne gegangen. Im Weinstraßencenter zeigte die Leiterin des Theader Freinsheim „Emmas Glück“ nach einem Roman von Claudia Schreiber.

In dem Buch geht es um eine eigenwillig- burschikose Frau und deren glücklos-glückliche Vita. Emma lebt alleine und hoch verschuldet auf ihrem Bauernhof mit den Tieren. In ihr Dasein wird sie hineingeboren, schon als Kleinkind bekommt sie das Schlachten des lieben Viehs mit. Wenn andere Mädchen Häkeln und Stricken lernten, wurde ihr beigebracht, warmes Schweineblut für die Wurstverarbeitung zu rühren. Emma liebt ihre Tiere, streichelt sie und redet mit ihnen.

„Die Organe des Schweines sind denen des Menschen am ähnlichsten“, weiß sie. Und wenn eines geschlachtet wird, stirbt es auf dem Hof einen schnellen, vor allem aber qual- und schmerzlosen Tod. Bei manch einer dieser Umschreibungen zu eindringlicher Gestik und auch mit dem Werkzeug in der Hand, spart Kleinhans nicht mit Details. Emmas innige Zuneigung zu den Tieren spiegelt sich darin wider und es geht dem Zuhörer unter die Haut.

Eines Tages scheint Emmas Glück perfekt: Sie kommt zu einem Mann und zu Geld. Beides verdankt sie einem Autounfall. Max, mitten im beruflichen Leben stehend, aber todkrank, verunglückt mit viel geklauten Moneten im roten Flitzer bei seiner Flucht, bei der er die Kurve nicht kriegt, in der Nähe von Emmas Hof. Ein Segen für die alleinstehende Bäuerin: Sie päppelt Max wieder auf, es entwickelt sich eine intensive Liebesbeziehung, die in einer Hochzeit gipfelt. Doch der fortgeschrittene „Scheiß-Krebs“ lässt beiden nicht mehr viel Zeit. Fest steht: Max soll friedlich einschlafen – vor allem qual- und schmerzlos.

Ob mit den in Mimik und knatternden Geräuschen dargestellten Treckerfahrten übers Land und nach Grünstadt, mit munteren Monologen, die ab und an pfälzisch geführt werden oder als guter Freund und Dorfpolizist Henner: Anja Kleinhans zieht mit dem Ein-Frau-Stück vom schrill überraschenden Auftakt bis zum leisen Ende, in dem sie mit dem Reisekoffer von der Bühne geht, das Publikum in ihren Bann. Etwas mehr als 50 Besucher verfolgen das leidenschaftliche Spiel der Mimin und geben am Ende einen kräftigen Applaus.

Komik und Tragik liegen in dem Theaterstück nah beieinander. Wer das Buch oder den Film, der 2006 in die Kinos kam, nicht kennt, tut sich möglicherweise etwas schwer mit den raschen szenischen Wechseln. Kleinhans indessen ist in ihrem Metier. Die Freinsheimer Theaterleiterin, 1976 in Speyer geboren, absolvierte unter anderem ein Schauspieltrimester an der Harvard University Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts und eine dreijährige Ausbildung zur staatlich anerkannten Schauspielerin in Berlin. In der Hauptstadt kam 2004 eine Film- und Fernsehausbildung hinzu. Seit 2007 führt sie das wohl kleinste Theater Deutschlands, das im mittelalterlichen Casinoturm der Freinsheimer Stadtmauer sitzt.

Büchereileiterin Renate Sobik-Rezmann bekundete ihre Freude über die „lebendig ausdruckstarke“ Spielkunst von Kleinhans und die erste Veranstaltung nach fast zwei Jahren. Diese wurde finanziell unterstützt vom Freundeskreis der Stadtbücherei Grünstadt und dem Landesverband Professioneller Freier Theater Rheinland-Pfalz.

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