Sehnsucht und Stillstand

Rheinpfalz, Ausgabe vom 04. September 2021, von Sigrid Ladwig.

HINTER DEN KULISSEN: Nichts ist so unabänderlich wie das Veränderliche des Lebens. In seiner neuen Inszenierung „Glückliche Tage“ schildert das „Theader Freinsheim“, wie der Mensch dabei nach Halt sucht.

Die von Beckett so stark verbildlichte Nähe zum Tod wird in der Inszenierung des Theaders wohltuend gemildert: Vielgestaltige Stoffe und Gewebe umhüllen die Figur der Winnie. In ihnen kann der Zuschauer zwar einen Erdhügel symbolisiert sehen, doch zugleich wirkt die Hülle wie ein riesiges, fast würdevolles Kleid. Mit seiner dritten diesjährigen Freiluft-Inszenierung beschließt das Theader Freinsheim einen Bühnenzyklus, den Leiterin und Schauspielerin Anja Kleinhans mit dem Titel „Liebe“ überschrieben hat. Sie selbst agiert diesmal als Hauptfigur Winnie: Mit ihr verkörpert sie eine Liebe, die zur Erstarrung dahinwelkt.

Es ist eine Rolle, die der monologisierenden Darstellerin viel abverlangt. Indes zeigen schon die Proben im Freinsheimer Retzerpark eine große Ausdruckskraft. Nicht allein, dass Anja Kleinhans eine enorme Textfülle meistert. Während die Postierung auf der Bühne ihre Bewegungsfreiheit einschränkt und ihr den Stillstand geradezu aufzwingt, muss sie zugleich innere Bewegtheit demonstrieren. 

Das Greifen nach vergangenen freudvollen Zeiten, die verzweifelte Trauer um das Vergehen, die Flucht in Illusionen von immer noch glücklichen Tagen und vergebliche Versuche, mit ihrem Mann Willie zu kommunizieren, all das konzentriert sich im Wechselspiel der Mimik.

Als Willie ist Darsteller Christian Birko-Flemming kaum sichtbar. So will es der Autor: Der Gatte bleibt einsilbig, ja beinahe stumm und tritt höchstens momentweise in Erscheinung. Das verstärkt die Entfremdung des Paars und Winnies einsam erhöhte Bühnenposition. Birko-Flemming führt gleichzeitig Regie, ihm assistiert Helga Ziegler. Die Inszenierung, für die der Retzerpark einen stimmungsvollen Rahmen abgibt, bleibt präzise im Umgang mit der Textvorlage. Beckett hat ausführliche Regie-Anweisungen für die Gestaltung mitgegeben, wobei er stark ins Detail geht.

Kleine Freiheiten erlaubt sich das Theader aber doch und färbt eine Reihe von Textpassagen mundartlich ein. So verwebt Anja Kleinhans ihre Rolle mit robuster Bodenständigkeit. Im Verlauf des Stücks wird diese allerdings mehr und mehr aufgelöst.

„Glückliche Tage“ umkreist das Schwinden menschlichen Daseins, ohne dass die Wirkung für den Zuschauer allzu sehr in Düsternis versinkt. Voll Sehnsucht wird Winnie weiter versuchen, sich an Dingen der Erinnerung festzuhalten. Bei aller Aussichtslosigkeit bleibt die Ahnung, es könnte wieder ein glücklicher Tag gewesen sein. Auch das macht Becketts absurdes Theater aus.

TERMINE

Premiere ist am kommenden Mittwoch, 19 Uhr im Freinsheimer Retzerpark, weitere Aufführungen am 9., 10., 11., 12., 22., 23., 24., 25. und 26. September, jeweils um 19 Uhr. Ticketreservierung unter .

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