Allgemeine Zeitung, Ausgabe vom 24. August 2020, von Roswitha Wünsche-Heiden.
Anja Kleinhans und Alex Lützke erfreuen in Mauchenheim mit Mutmach-Erzählungen und Musik zum Entspannen.
Mauchenheim. Auf einer Holzkiste des vier Quadratmeter großen Bühnenelements sitzt Anja Kleinhans, als „Pälzer Engelsche“ mit Federflügeln. Neben ihr Alex Lützke, der Gitarrist, mit dem sie in den nächsten Stunden „Mutmacherzählungen und Musik zum Entspannen“ vortragen wird. Die erste davon handelt von der Holzkiste eines Bettlers, der von dort aus 30 Jahren um Almosen gebeten hat, ohne zu wissen, dass in ihr die ganze Zeit ein Schatz verborgen war. Um die Schätze, die jeder in seinem Inneren trägt, ging es auch in den übrigen Texten.
Kleinhans öffnete die Truhe und entnahm ihr zweierlei. Das erste war ein chinesischer Pappschirm, der auf die Herkunft der Texte aus dem Orient und dem fernen Osten verwies.
Da gab es die Geschichte von einem Bauer mit einem prachtvollen Hengst, dem allerlei Positives und Negatives widerfährt, der sich aber weigert, die Ereignisse als Glück oder Unglück zu bezeichnen. „Wer weiß das schon?“, fragte er stattdessen. Ein Gedicht von Khalil Gibran handelt von den Widersprüchlichkeiten der Liebe, eine persische Geschichte von goldenen Gitterstäben und dem Geschenk der Freiheit.
Der lauschige Pfarrgarten in Mauchenheim ist derselbe wie in den letzten Jahren bei den Aufführungen der Theatertage Alzeyer Land. „Trotzdem ist bei den Theatertagen Open Air 2020 alles etwas anders“, stellet VG-Bürgermeister Steffen Unger in seiner Begrüßung fest. Aber das hatten die etwas mehr als 40 Gäste schon gemerkt, als sie, nachdem sie bei der Ankunft Hände desinfizierten und ihre Berechtigung nachgewiesen hatten, den Einbahnweg folgend, maskiert ihren Platz aufsuchten. Der uniformierte Herr vom Ordnungsamt und die mehrfach aufgehängten Verhaltensregeln unterstrichen das noch.
Sorgfältige Beachtung der Corona-Schutzverordnung
„Wir tun das nicht, um Sie zu beschränken, sondern zu ihrem gesundheitlichen Schutz“, betonte Unger. Nachdem man zunächst die Theatertage für dieses Jahr komplett abgesagt hatte, war das Planungsgremium später übereingekommen, doch ein kleineres vierteiliges Programm mit dem Ziel der Unterstützung professioneller Künstler anzubieten.
Zu denen gehört auch Anja Kleinhans, die Inhaberin des „Theader Freinsheim“, dem „vielleicht kleinsten professionellen Theater der Welt“. Sie war schon 2015 und 2017 in dieser Veranstaltungsreihe als pfälzische Bäuerin zu sehen und hatte ihre Zuhörer mit ihren Darbietungen gefesselt.
Aber auch für sie war es diesmal anders. Sie hatte zwar nicht ausdrücklich ein Corona-Programm konzipiert, aber es hatte viel mit dieser besonderen Zeit zu tun. „Ich konnte die negative Berichterstattung über die Pandemie in den Medien nicht mehr hören und sehen“, sagte sie im Gespräch und dachte an deren Auswirkungen wie Unsicherheit, Auseinandersetzungen, Angst oder Panik. Ihre Auftritte vor den Fenstern einsamer Menschen (die AZ berichtete) und ein längerer Urlaub in menschenleeren Gegenden im Süden waren ihr persönliches Gegenmittel. Für das Mutmachprogramm hat sie Texten aus ihrem „Heimat“-Programm des Kultursommers 2019 weitere Texte hinzugefügt, etwa zum Thema „Loslassen“, vom „Vorbeigehen“, vom „Rechthaben“, denen Alex Lützke mit einfühlsamem Gitarrenspiel aus Klassik, Romantik und Südamerika Raum zum Nachklingen bereitete.
Erst am Ende des Abends wurde offensichtlich, was Kleinhans ihrer „Kiste“ noch entnommen hatte. Nachdem der letzte Gitarrenton und der kleinen Geschichte vom Erkennen der „Freude der Fische beim Wandern am Flusse“ verklungen waren, blieben die überwiegend weiblichen Zuhörer noch ein bisschen sitzen. Als sie sich auf den Heimweg machten, waren zwar Nachdenklichkeit und Lächeln hinten den Masken verschwunden, aber viele bedankten sich bei den Künstlern für den schönen Abend der ihnen „Balsam für die Seele“ war.