Weibliche Freuden, herausgeschriene Wut

Rheinpfalz, Ausgabe vom 30. Juni 2022, von Anke Wanger.

Anja Kleinhans brilliert bei den „SommernachtTräumen“ im Theater in der Kurve mit dem Stück „Emmas Glück“

Anja Kleinhans, Chefin des „TheaderFreinsheim“,hat bei den „SommernachtTräumen“ im Neustadter Theater in der Kurve ihre Interpretation des Romans „Emmas Glück“ vorgestellt. Ein Solostück, das wahrlich unter die Haut geht.

In „Emmas Glück“ nach dem bereits vor einigen Jahren verfilmten Roman von Claudia Schreiber spielte Kleinhans die junge Bäuerin Emma ebenso tragisch anrührend wie humor- und temperamentvoll. Zwei Dinge fehlen in Emmas Leben. Geld bräuchte die verschuldete, eigensinnige Jungbäuerin ganz dringend, um die Zwangsversteigerung ihres Hofs abzuwenden. Nicht ganz so dringend – aber nach dem Motto „schä wärs schunn“ – braucht Emma einen Mann, auch wenn Dorfpolizist Henner ihr zu verstehen gibt, dass er im Bedarfsfall zur Verfügung stünde.

Werden Inhalte deftig, wird es auch die Sprache. Hochdeutsch verschwindet, Pfälzisch übernimmt. Die Eigenproduktion des „Theaders Freinsheim“ ist ein Solostück, bei dem sich die staatlich anerkannte Schauspielerin Kleinhans zwar nicht mit Kollegen auf der Bühne abstimmen, dafür aber mit umso mehr Spielpräsenz durchstarten muss, wenn sie das Publikum nahezu zwei Stunden in Bann ziehen und halten will.

Kleinhans geht ins Publikum, flirtet mit Zuschauer „Adi“, parkt bei seiner Partnerin ihren Koffer, den sie eigentlich für eine weite Reise gerichtet hat, wie sich am Schluss des Stücks herausstellt. Facettenreich schäkert sie, wütet, macht sich über die Dörfler lustig, trauert Chancen nach und ist zutiefst verzweifelt den Tränen nahe. Von Kindesbeinen an galt stets der bissige Spruch ihres brutalen Großvaters: „Wer fresse will, muss a schaffe“. Er gipfelte darin, dass „nutzlosen“ Jungvögeln, die die Saat hätten fressen können, regelmäßig vorsorglich im Beisein der Enkelin, die leider kein hartgesottener Stammhalter geworden war, der Hals umgedreht wurde.

Gelächter ernten die teils derben, aber eben auch bildhaften Schilderungen weiblicher Freuden auf ruckelnder Zündapp und dank gut gewachsener Maiskolben, wenn der richtige Mann fehlt. Wie glücklich scheint sich alles zu fügen, als eines Tages der hübsche Max in der Nähe des Bauernhofs im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr rechtzeitig die Kurve kriegt und mit seinem Sportflitzer verunglückt. Was Emma da noch nicht ahnt ist, dass sie den jungen Mann zwar wieder aufpäppeln, jedoch nicht wirklich heilen kann, denn er ist schwer krebskrank und hat nicht mehr lange zu leben.

Ebenfalls überraschend und wie ein Geschenk des Himmels ist der warme Geldsegen, den Max – unfreiwillig – ins Haus bringt. Das Geld ist gestohlen, um sich die letzten Monate seines Lebens nach dem Ausstieg aus seiner bisher gut bürgerlichen Welt in Mexiko zu versüßen. Zwischen Emma und ihm entwickelt sich eine Liebesgeschichte, die auch die Ankunft seines ehemaligen Chefs, dem Max das Geld gestohlen hat, nicht stören kann. Doch da die Krankheit schnell fortschreitet, ist das herzerwärmende Glück nur von kurzer Dauer. Tiefe Dramatik folgt, die nach anfänglich herausgeschriener Wut leise dahingleitet. Emma liebt ihre Tiere und sie liebt Max – und sie tut, „was ich nicht mal denken kann“ auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin.

Nachdenklich wirken die Besucher nach dem intensiven, unter die Haut gehenden Theaterstück, mal vordergründig laut, oft tiefgründig leise. Wird doch, wenn auch nie direkt angesprochen, das große Spannungsfeld zwischen dem Respekt vor dem Leben und dem Recht auf menschenwürdiges Sterben austariert. Kleinhans Spiel ist bei all dem an jeder Stelle schlüssig, lässt Bilder entstehen, zieht in den Sog der Zerrissenheit und ist selbst in den kleinsten Gefühlsregungen nicht nur mimisch ganz groß. Die Besucher im Theatergarten, von denen es noch ein paar mehr hätten sein dürfen, quittieren die Leistung mit Begeisterungsrufen.

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