Zwischen Hoffnung und Ohnmacht

Rheinpfalz, Ausgabe vom 30. September 2023, von Sigrid Ladwig.

Eine ebenso ungewöhnliche wie packende Auseinandersetzung mit dem Thema Depression bringt das „Theader Freinsheim“ im Rahmen des Kultursommers Rheinland-Pfalz auf die Bühne: „All das Schöne“, ein Stück von Duncan Macmillan, bewegt sich zwischen Hell und Dunkel des Lebens. In dieses Spannungsfeld bindet Darstellerin Anja Kleinhans auch ihre Zuschauer aktiv ein. Am kommenden Donnerstag ist Premiere.

In seinem international beachteten, vor zehn Jahren in London uraufgeführten Stück zielt der 1980 geborene britische Autor und Regisseur Duncan Macmillan auf das Mitwirken des Publikums. Prozesse des Beteiligens werden in der neuen Form von Theater konsequent in Gang gesetzt. Im Casinoturm kommt dies Anja Kleinhans, der Leiterin des „Theaders Freinsheim“, auch durch die räumlichen Bedingungen entgegen.

Schönheit und Schatten

Ohnehin sind sich Schauspielerin und Besucher im kleinen Aufführungsraum des Stadtmauerturms ungewöhnlich nah. Experimentierfreudig, wie sie ist, nimmt die Theater-Leiterin den Autor beim Wort. Diesmal verschwimmen die Grenzen zwischen Schauspiel und Publikum also noch mehr als sonst. Schon äußerlich ist das erkennbar, indem die Bühne sozusagen von Zuschauerstühlen eingekreist wird.

Worum geht es in dem Ein-Personen- Stück? Nach dem ersten Selbstmordversuch seiner Mutter beginnt ein Kind, alles für sie aufzulisten, was das Leben schön machen kann. Es sind immer neue, kurze Glücksmomente, kleine sinnliche Erlebnisse und Genüsse, aber auch Erfahrungen von Zuneigung und Freundschaft, die sich hier in frischer, bunter Abfolge aneinanderfügen.

Die laufenden Proben im „Theader“ zeigen, wie jeder Punkt auf der wachsenden Liste zu einem Flügelschlag der Hoffnung wird. Doch das ist nur die eine Seite. Anja Kleinhans und der Berliner Regisseur Uli Hoch bleiben präzise im Umgang mit der Vorlage und legen Schatten dunkler Ungewissheit über die Bühne: So wird spürbar, dass die Liste trotz aller Bemühungen ein Protokoll des Scheiterns sein könnte.

Nuanciertes Spiel

Die ungezwungene Sprache der Anteilnahme schlägt um in Verzweiflung und Zorn, als die Mutter nach Jahren den nächsten Suizidversuch unternimmt. Differenziert zeigt Anja Kleinhans, wie die Liste trotz aller bitteren Umstände und nach längeren Unterbrechungen zum heiteren, auch humorvollen Bilderbogen wird. Zwischen Hoffnung und Ohnmacht entwickelt sich damit ein bewegendes Zeugnis der Liebe.

Eine wichtige Rolle in der Inszenierung spielt die Musik, verstärkt sie doch das emotionale Aufbegehren gegen die Verlorenheit in seelischer Düsternis. Der Szenerie auf der Bühne bleibt durchweg genügend Raum, um wirken zu können. Zudem wird der erzählende Monolog stetig durchbrochen von den aufzählenden Elementen. Indem Zuschauer die einzelnen Punkte vortragen, werben auch sie für das Bekenntnis zum Leben.

Doch ob die hingebungsvoll nummerierte Lebensfreude nun eher vorsichtig offeriert wird oder ob sie ihre Adressatin beinahe bestürmt: Immer wieder lassen Sätze ahnen, dass der geliebte Mensch in seiner Depression unerreichbar bleibt. Dieser Vergeblichkeit wird die Fortentwicklung des eigenen Lebens gegenüber gestellt. Die Liste, angefüllt mit Augenblicken ehrlich empfundenen Glücks, sie geht vielversprechend weiter.

TERMINE

Premiere von „All das Schöne“ im Casinoturm in Freinsheim ist am Donnerstag, 5. Oktober, um 19 Uhr. Weitere Aufführungen gibt es dort am 7., 8., 18., 19. und 20. Oktober, am 15., 16., 17. und 29. November und am 1. und 2. Dezember, ebenfalls jeweils um 19 Uhr. Karten (20 Euro) unter . Weitere Infos unter www.theader.de.

Corona Information

Für unsere Vorstellungen gilt die jeweils aktuelle Corona-Verordnung von Rheinland-Pfalz.